Wirtschaft und Weiterbildung 1/2023

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„ Weniger Verbote, mehr Möglichkeiten“

DBVC-COACHING-KONGRESS 2022. Auf dem DBVC-Coaching-Kongress 2022 Mitte November in Berlin forderte Professor Siegfried Greif dazu auf, starre Coaching-Regeln wie „keine Ratschläge geben“ aufzuweichen und über sinnvolle Ausnahmen nachzudenken. Sein Workshop trug den Titel „Brücken bauen“.

„Viele traditionelle Regeln des Coachings sollten reformiert werden“, forderte Professor Siegfried Greif, der ehemalige Leiter des Fachgebiets Arbeits- und Orga nisationspsychologie der Universität Os nabrück, auf dem DBVC-Coaching-Kon gress 2022 in Berlin. Die meisten Regeln seien aus nachvollziehbaren Gründen eingeführt worden, schließlich musste vor rund 20 Jahren die Besonderheit des Coachings als neue Profession hervorge hoben werden. Das wichtigste Anliegen der Coaching Profession sei früher insbesondere die Abgrenzung zur Beratung gewesen. „Coa ching wurde als Hilfe zur Selbsthilfe de finiert und dazu gehörte von Anfang an die Regel, dass beim Coaching keine Rat schläge erteilt werden sollen“, berichtete Greif. Für ihn aber sind Ratschläge wich tig, um den Klienten zum Reflektieren an zuregen. Deshalb sollten sie erlaubt sein. Wichtig sei, dass die Klienten wüssten, dass sie im Coaching-Prozess die Ziele und Wege selbst bestimmten und deshalb selbst entscheiden dürften, ob sie einen angebotenen Ratschlag annehmen woll ten oder nicht. Ein weiteres von Greif hinterfragtes Ver bot lautet, dass ein Coach seinen Klien ten nie unterrichten sollte, sondern nur durch Fragen zum Nachdenken anregen dürfe. Der Coach sei nun einmal kein Lehrer. Greif besteht auf mindestens eine Ausnahme. Er nennt sie die „psychoedu kative Aufklärung“. Manchmal brauche ein Klient zuerst neues Fachwissen und Sind Ratschläge oder Wissensinputs schädlich?

mehr Überblick über sein Problem, bevor er sinnvoll reflektieren könne. Wer zum Beispiel unter Burn-out leide, der müsse medizinische Hintergrundinformationen bekommen, bevor er über Wege aus der Krise nachdenken könne. Nur wer ver stehe, was vor sich gehe, könne seine Ängste überwinden und dazu beitragen, seine Krise zu bewältigen. „Psychoedu kation fördert nachweislich das Selbst management und ist Hilfe zur Selbst hilfe“, betonte Greif. „Insbesondere das Gesundheits-Coaching kommt nicht ohne psychoedukative Aufklärung aus.“ Greifs Fazit: „Die Befürworter von Coa ching-Regeln sind aus meiner Sicht zu oft traditionell festgelegt und zu selten offen für Verbesserungen. Ein sogenann tes Next-Level-Coaching braucht das Hinterfragen und Neuformulieren vieler Regeln.“ Unterhaltsam und lehrreich: Elder-Coachs auf dem Sofa Gunther Schmidt, DBVC-Senior-Coach und einer der Pioniere der hypnosystemi schen Therapie sowie ärztlicher Direktor der von ihm mitgegründeten Systelios Klinik, unterstützte die Forderung von Greif, dass Coachs einem Klienten ruhig Ratschläge zur Auswahl geben dürften. Die Behauptung, Coaching sei „Beratung ohne Ratschlag“ gehe ihm auf die Ner ven, meinte Schmidt. Jeder Klient, der keine Ratschläge bekomme, würde nach einer gewissen Zeit das Gefühl haben, dass der Coach ihn nicht als gleichbe rechtigten Gesprächspartner ernst nehme. Zum Thema „Online Coaching“ erklärte Schmidt, niemand in der Coaching-Pro-

Mit Humor. Bernd Schmid (links) und Gunther Schmidt boten Metareflexionen an.

Für die Praxis. Professorin Heidi Möller thematisierte den narzisstischen Coachee.

Mehr Widerspruch. „ Sollte man immer starre Regeln befolgen?“, fragte Siegfried Greif.

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